Achtung, jetzt kommt eine Krise!

In der Laufzeit eines jeden Doktoranden und jeder Doktorandin kommen ein oder mehrere Zeitpunkte, an denen alles irgendwie in eine Krise zu führen scheint oder schon ist. Gründe gibt es dafür viele und verschiedene. Auswege auch.

Hier biete ich euch eine kleine Auswahl an Krisen die ein*e Doktorand*in durchlaufen kann:

1) Die Relevanz-Krise

Alles ergibt irgendwie keinen Sinn oder scheint irgendwie irrelevant. Irgendwie forschen andere an ganz anderen Themen. Interessiert sich überhaupt jemand dafür, was du machst? In den letzten Vorträgen hat dir, bis auf ein dir persönlich verpflichtetes Publikum, fast niemand zugehört.

2) Die „Von der Weltformel hin zu einer Doktorarbeit“-Reduktion

Die Fragen und Themen, die du jetzt beantwortest sind nicht mehr diejenigen, die du ursprünglich bearbeiten wolltest. Du wolltest mal das große Ganze erforschen und irgendwie ist davon nicht mehr so viel übrig geblieben. Die Fragen, die du jetzt noch beantworten kannst sind so speziell, dass sie gar nicht mehr so spannend scheinen.

3) Die „Wenn du früher gewusst hätte, dass…“- Erkenntnis

Am Anfang deiner Promotionszeit hattest du ja keine Ahnung, was du da machst. Also hast du mal irgendetwas gemacht. Aber nachdem du nun ungefähr weißt, was du tun solltest, hast du gemerkt, dass du eigentlich hättest alles ganz anders machen sollen. Kannst du das, so wie du es trotzdem gemacht hast überhaupt veröffentlichen?

4) Die „Du kommst nicht weiter und alles ist irgendwie Unfug“-Frustration

Du arbeitest an deiner Analyse oder ähnlichem, aber dabei scheinst du keine oder nur unsinnige Ergebnisse zu produzieren. Die Daten wirken seltsam, eigentlich hättest du was anderes erheben sollen, das passt nicht so wirklich zu deinen Forschungsfragen und insgesamt hast du das Gefühl, dass dich das überhaupt nicht weiter bringt. Und das schon seit einer sehr langen Zeit und egal wie viel Arbeit du reinsteckst, es wird nicht besser.

5) Der „Eigentlich würdest du lieber ein anderes Thema machen“- Zweifel

Warum und wie auch immer du zu dem Thema gekommen bist, nachdem du dich jetzt gründlich eingearbeitet hast und auch schon eine Weile damit und dafür gearbeitet hast, jetzt kommen dir ganz viele Einfälle, was dich eigentlich viel mehr interessiert oder was viel erfolgversprechender erscheint. Manche näher, andere ferner an deinem eigentlichen Thema. Aber du hast schon so viel Arbeit investiert und dein Forschungsplan steht, dass du ja nicht alles wieder umwerfen kannst. Oder etwa nicht?

Das sind alles innere Krisen, die primär mit der eigenen Motivation oder den eigenen Fähigkeiten zu tun haben. Natürlich gibt es noch Krisen, die durch Einflüsse von außen auftreten (materielle Krisen, die Finanzierung, Ausstattung und Infrastruktur betreffen, Krisen mit oder wegen der Betreuung, stärkere inhaltliche Krisen etc), aber diese möchte ich gerade nicht fokussieren. Die meisten Doktorand*innen werden sich in der ein oder anderen Krise wiederfinden oder erinnern. Auch bei mir gab es die ein oder andere mehr oder weniger ausgeprägt. Manche kommen auch immer mal wieder vorbei.

Einige Gedanken, die mir aus den Krisen geholfen haben:

Dieses Gefühl, alles ist doof, irgendwie passt nichts mehr, nichts ist so, wie es sein sollte schwirrt in dir herum, aber so richtig benennen kannst du es nicht. Du willst deinem Betreuer eine eMail schreiben und sagen, dass alles doof ist. Aber was genau ist denn doof und was genau soll sich ändern? Ich analysiere meine Gedanken und Probleme manchmal lange herum, da bin ich noch weit weg zu wissen, was sich ändern soll. Aber irgendwann bin ich wenigstens halbwegs sicher, was mein Problem ist. Und wenn ich genau weiß, was mein Problem ist, dann ist der nächste Schritt genau das zu ändern gar nicht mehr so weit. Was hilft ist also einfach ganz klar benennen zu können, was eigentlich das Problem ist.
Wenn alles irgendwie nicht passt, liegt es dann daran, dass ich nicht so richtig verstehe, was ich da gerade mache oder dass ich einfach noch nicht so weit bin etwas sinnvolles darin zu erkennen? Man hört immer wieder, dass andere erzählen sind wochenlang nicht weitergekommen und irgendwann war ein Punkt an dem alles klar wurde. In der empirischen Forschung und gerade bei der Grounded Theory erzählte eine Doktorandin im Kolloquium immer, dass man irgendwann aus den Daten Zusammenhänge und Ergebnisse lesen kann, aber dass das Zeit braucht. Ich weiß noch genau den Tag andem ich meine Kategorien irgendwann so geordnet hatte und es auf einmal irgendwie alles besser zusammen gepasst hat. Aber manchmal kann das dauern und ich habe nicht das Gefühl, dass man irgendwie voraussehen kann, wie oder wann dieser Zeitpunkt kommt. Es ist nicht so, dass ich nach x Stunden Zeit auf einmal zu einem Ergebnis komme. Manchmal muss man diese Zeit und Frustration einfach aushalten und Geduld haben.
Im unserem Doktorand*innen-Kolloquium an der Hochschule heißt es auch immer, dass egal an welchem Zeitpunkt man ist, vortragen immer hilft und einen immer weiter bringt. Es ist gut, jemand anderes auf die Dinge schauen zu lassen, der eine ganz andere Perspektive darauf hat als man selbst oder die Betreuer*in. Durch andere Zugänge sieht man Wege, die man selbst nicht gesehen hätte oder wird sich eben dadurch der Problematik selbst besser bewusst. Das muss uach nicht immer ein Vortrag sein, das kann auch einfach ein informelles Gespräch auf dem Gang oder einem Kaffee sein. Einfach jemand anderem erzählen, wo man gerade hängt und was bei einem gerade so passiert, hilft oft schon seine Gedanken selbst zu ordnen. Wissenschaft lebt vom Austausch und von den Ideen oder kritischen Anregungen anderer.
Aber Kolleg*innen und andere Leidensgenoss*innen sind nicht immer nur da, um intellektuell etwas zu der eigenen Arbeit beizusteuern. Oft hilft es auch, sich einfach auszutauschen und zu jammern, wie böse und ungerecht die Welt doch ist. Einfach nur, um festzustellen, dass es meinem Gegenüber auch so geht. Manchmal muss man Abstand von sich und seiner Arbeit nehmen und feststellen, dass alles gar nicht so schlimm ist oder dass es noch andere Dinge im eigenen Leben und der Welt gibt. Mir hilft immer wieder viel unterwegs zu sein. Auch nach einem 11 Stunden Tag mich aufzuraffen und zum Sport zu gehen. Einfach abschalten und nicht an die Arbeit denken hilft mir immer wieder.
Etwas, das mir gerade im letzten Jahr immer wieder geholfen hat mein Leben irgendwie auf die Reihe zu kriegen, war der Rat einer guten Freundin: Überlege dir dein Problem und die Situation darum. Manchmal kannst du die Situation nicht ändern, aber deine Einstellung dazu. Manchmal musst du aber auch die Situation ändern, um dein Problem zu lösen. Du musst herausfinden, was du ändern kannst: Die Situation oder deine Einstellung dazu und das jeweilige verändern.

Also, immer mal wieder über den Dingen stehen! ;-)

argentinine

2 Kommentare

Eingeordnet unter Dissertation

2 Antworten zu “Achtung, jetzt kommt eine Krise!

  1. Hey,
    vielen Dank, dass du diese Erfahrungen mit anderen Doktoranden/dem Internet/der Welt teilst!
    Inhaltlich ist das zwar alles kein Geheimnis, aber trotzdem es ist (gefühlt) sehr viel mehr wert, so etwas mal einer Person (oder dem, was ein Account über die Person preisgibt) zuordnen zu können, als immer nur anonymisierte ZEIT-Campus-Artikel zu lesen ;-)

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  2. Pingback: Halbzeit | Hörsaalspiele

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